hahnentritt im sauseschritt

restless in mauer and in mind

Wednesday, July 23, 2008

Verbieg dich, oder ich fress' dich!

Um den Anforderungen des modernen Großstadtlebens gerecht zu werden und doch ganz in meiner Mitte ruhen zu können, nebenbei meinem Körper etwas gutes zu tun und eventuell mein sexuelles Erleben etwas zu pimpen, habe ich vor knapp drei Jahren beschlossen, Yogi(ni) zu werden.

Seit dieser Zeit verstehe ich absolut nicht mehr, warum es Menschen gibt, die Yoga als langweilig oder nutzlos abtun.
Sogar Freund Keksi ist seit neuestem Yogi, zwar nicht mit Begeisterung, aber er sieht ein, dass man, wenn man so auf die 30 zugeht, mal an seiner Haltung, seiner Einstellung und Biegsamkeit arbeiten sollte. Sehr brav.

Jedenfalls funktioniert auch der Yoga-Kosmos im Hotroom ganz nach den Gesetzen der Welt "draußen" - selbst wenn uns die Lehrer einreden möchten, alles Weltliche außen vor zu lassen.
Wie soll man schließlich einen guten Platz in der ersten Reihe an den Spiegeln ergattern, wenn man nicht sofort nach Betreten des Studios seine Matte aus dem Mattenregal zieht, in den Hotroom hechtet, und dort - ganz nach teutonischem Vorbild - in Rekordgeschwindigkeit seine Matte ausrollt und mit einem Handtuch als besetzt kennzeichnet?
Erst danach kann es ans entspannte Ent- und Umkleiden gehen - Achtung! Slippery when wet - die Students aus dem Kurs davor kommen aus der Dusche und hinterlassen ihre nassen Spuren überall, genauso wie ihre noch nicht geduschten Kollegen, denen der Schweiß noch in Sturzbächen runterrinnt. Yummy!
Wenn man noch einen freien Haken gefunden hat, kann man darauf Handtasche, Sporttasche, Yogamattentasche, Handtuch und Klamotten aufhängen. Wenn!
Wenn nicht, muss alles auf die Bänke gestellt werden, die so schmal sind, dass nichtmal Kate Moss' Allerwertester darauf ein Plätzchen finden würde.

Endlich entkleidet und in schicke Yoga-Couture gehüllt, heißt es, sich Wasser und Schweißtüchlein zu besorgen und nochmal die Toiletten (die natürlich an den langen Warteschlangen davor zu erkennen sind) aufzusuchen.

Alle Vorbereitungen überstanden?
Aber jetzt geht es doch erst richtig los!
In der Zwischenzeit hat bestimmt irgendjemand im Hotroom meine Matte so verrückt, dass er den besseren Platz am Spiegel hat, und ich genau vor der Fuge zwischen zwei Spiegeln stehe, was bedeutet, dass die ganze Yogaklasse über meine rechte Körperhälfte ungleich hoch dargestellt sein wird wie die linke Körperhälfte, was natürlich immens hilfreich ist, wenn man ständig alle Gelenke in eine Ebene bringen soll.

Als braver Yogi halte ich natürlich die Klappe und begebe mich straight in Shavasana - Totenstellung - um das gute Karma im Hotroom nicht zu stören und mich mental auf die Klasse vorzubereiten. An meinem Tod hindert mich eigentlich nur, dass die Anfängerin neben mir sms tippt und ständig herumzappelt.
Hinter mir erzählt sich ein Grüppchen bester Freundinnen die neuesten Neuigkeiten.
Shavasana, ade. Wann geht die Klasse endlich los?

Die Klasse geht erst dann los, wenn nach dem eigentlichen Klassenbeginn erstmal alle lieben Zuspätkommerleins, - die trotz öffentlicher Bekanntmachung, dass Zuspätkommende eigentlich keinen Einlass mehr bekommen, aus Rücksicht auf die pünktlichen Yogis, ja eigentlich! - auch ihre Plätze gefunden haben und sich irgendwo dazwischen zwicken müssen und sogar noch Ansprüche stellen.
Die Yogaklasse hat somit noch nicht mal richtig begonnen und ich bin schon auf gefühlten 180 - das perfekte Herz-Kreislauf-Training.

Wenn wir dann endlich beginnen dürfen uns zu verbiegen, dann muss ich - mit meinem Körper, der vom Scheitel bis zur Sohle knappe 159cm misst, und damit ziemlich unter dem mitteleuropäischen Durchschnitt liegt - aufpassen, dass ich die Students rechts, links, hinter mir nicht ausknocke.
Als Dank dafür bekomme ich diverse Schweißspritzerchen ab, die aber sicher irrsinnig wichtig für mein Immunsystem sind.

Nach 90 Minuten ständiger Rücksichtnahme und Tüftelei, wie ich 26 Übungen am korrektesten (von korrekt im eigentlich Wortsinn will ich gar nicht sprechen) unter Einbeziehung größtmöglicher Vorsicht den lieben anderen Yogis gegenüber, ausführen kann, darf ich endlich in Shavasana sinken, was mir aber wie eine Strafe vorkommt, da ich lieber aufspringen und mich unter die Dusche stellen möchte. Schließlich muss ich noch die U-Bahn erwischen, damit ich pünktlich umsteigen und den letzten halbwegs schnellen Bus nachhause erwischen kann.
Ich darf aber noch nicht aufstehen, sondern muss liegenbleiben, und rechne mir schon im Kopf alle Schritte aus, die ich schnellstmöglich erledigen muss, um das Yoga-Institut pünktlich verlassen zu können. Was natürlich nur funktioniert, wenn wir nicht zu lange im Shavasana liegen müssen, ich danach auf Tee und Obst verzichte, sich vor den Duschen keine Warteschlangen befinden und ich genug Platz zum Umziehen habe. Das will alles einkalkuliert sein. Aber mit der Ellbogentaktik geht eigentlich alles ruck-zuck.

Wenn ich dann komplett abgehetzt zuhause ankomme, weiß ich, ich habe es wieder mal geschafft - ich habe wieder mal etwas gutes für meine Entspannung getan!
Namaste.

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